Die kaufmännische Ausbildung gehört seit Jahrzehnten zu den beliebtesten Berufsfeldern in Deutschland. Ob im Handel, in der Industrie oder in der Verwaltung – kaufmännische Berufe sind vielseitig, zukunftssicher und bieten zahlreiche Entwicklungsmöglichkeiten. Doch wie sieht die aktuelle Situation wirklich aus? Welche Berufe gibt es, wie viele Ausbildungsplätze werden angeboten, und mit welchen Herausforderungen kämpfen Auszubildende und Unternehmen?
Welche Ausbildungsberufe zählen zum kaufmännischen Bereich?
Die Ausbildung zum Kaufmann bzw. zur Kauffrau für Büromanagement gilt als besonders vielseitig, da sie Aufgaben aus den Bereichen Verwaltung, Organisation und Assistenz vereint. Auszubildende lernen unter anderem, wie man Termine koordiniert, den Schriftverkehr organisiert, interne Abläufe steuert und kaufmännische Vorgänge bearbeitet. Dabei stehen vor allem Kommunikationsfähigkeit, Sorgfalt und der Umgang mit gängiger Bürosoftware im Fokus. Diese Ausbildung wird häufig in öffentlichen Verwaltungen, Dienstleistungsunternehmen oder Industrie- und Handelsbetrieben angeboten.
Der Beruf Industriekaufmann/-frau richtet sich an Menschen mit Interesse an wirtschaftlichen Zusammenhängen in der industriellen Produktion. Während der Ausbildung durchlaufen die Auszubildenden verschiedene Abteilungen eines Unternehmens – vom Einkauf über die Produktion bis hin zu Vertrieb und Personalwesen. Sie erstellen Angebote, kalkulieren Preise, organisieren Abläufe und arbeiten mit betriebswirtschaftlichen Kennzahlen. Dabei ist der Einsatz moderner ERP-Systeme wie SAP ein zentraler Bestandteil.
Als Bankkaufmann/-frau liegt der Fokus klar auf der Kundenberatung in finanziellen Angelegenheiten. Auszubildende lernen, wie man Konten führt, Kredite vorbereitet, Geldanlagen empfiehlt und Versicherungen vermittelt. Der persönliche Kontakt zu Privat- oder Geschäftskunden steht im Mittelpunkt. Neben mathematischem Verständnis sind vor allem Diskretion, Beratungskompetenz und ein sicheres Auftreten wichtig. Die Ausbildung findet in Filialen, aber auch zunehmend digital und im Kundenservicecenter statt.
Die Einzelhandelskaufleute sind die Spezialisten im Verkauf. Während ihrer Ausbildung lernen sie alles rund um Warenpräsentation, Kundenberatung, Kassensysteme, Lagerhaltung und Warenwirtschaft. Besonders wichtig ist der direkte Kundenkontakt – Kommunikationsfreude, Geduld und ein serviceorientiertes Auftreten sind zentrale Anforderungen. Je nach Branche kann der Schwerpunkt auf Mode, Elektronik, Lebensmitteln oder anderen Warengruppen liegen. Zusätzlich beschäftigen sich Einzelhandelskaufleute mit Kalkulation, Marketingmaßnahmen und Verkaufsförderung.
Im Unterschied dazu sind Groß- und Außenhandelskaufleute vor allem im B2B-Bereich tätig, also im Handel zwischen Unternehmen. In der Ausbildung erwerben sie Wissen über den internationalen Warenverkehr, Zollbestimmungen, Vertragswesen und Logistikprozesse. Sie kaufen Waren in großen Mengen ein und verkaufen sie mit Gewinn weiter – oft grenzüberschreitend. Sprachkenntnisse, Verhandlungsgeschick und ein gutes Verständnis für wirtschaftliche Zusammenhänge sind hier besonders gefragt.
Die Ausbildung zum Kaufmann bzw. zur Kauffrau im E-Commerce ist vergleichsweise neu und stark digital geprägt. Hier geht es um den Onlinehandel, die Pflege von Onlineshops, digitales Marketing, Preisgestaltung sowie um rechtliche Aspekte des E-Commerce. Die Auszubildenden lernen, wie Produktdaten gepflegt, Zielgruppen analysiert und Online-Kampagnen geplant werden. Dabei spielt auch der Umgang mit Analyse-Tools, Content-Management-Systemen und digitalen Bezahlsystemen eine wichtige Rolle. Kreativität und Technikaffinität sind hier entscheidend.
Versicherungskaufleute, offiziell „Kaufmann/-frau für Versicherungen und Finanzanlagen“, beschäftigen sich mit der Absicherung von Risiken. Im Vordergrund steht die Beratung von Kunden zu Themen wie Haftpflicht, Lebensversicherung, Altersvorsorge oder Berufsunfähigkeit. Dabei lernen Auszubildende nicht nur die Produkte kennen, sondern auch rechtliche Grundlagen, Schadenregulierung und Risikobewertungen. Die Ausbildung erfolgt oft in Versicherungsagenturen oder bei großen Versicherungskonzernen.
Immobilienkaufleute arbeiten in einem dynamischen Umfeld, in dem es um Grundstücke, Mietobjekte und Gebäudeverwaltung geht. Während der Ausbildung befassen sie sich mit der Vermietung und dem Verkauf von Immobilien, erstellen Mietverträge, berechnen Nebenkosten und führen Wohnungsabnahmen durch. Sie lernen, wie man Immobilienprojekte betreut, Kunden berät und Verwaltungsaufgaben übernimmt. Auch bauliche, rechtliche und finanzielle Aspekte gehören zum Ausbildungsinhalt – eine Mischung aus Schreibtischarbeit und Außendienst.
Als Speditionskaufmann/-frau, offiziell „Kaufmann/-frau für Spedition und Logistikdienstleistung“, organisiert man den Versand, Umschlag und die Lagerung von Waren weltweit. Auszubildende lernen, wie man Transportmittel wählt, Routen plant, Kosten kalkuliert und Liefertermine überwacht. Der Kontakt zu Kunden, Frachtführern und internationalen Partnern ist alltäglich. Wichtig sind Organisationstalent, Fremdsprachenkenntnisse und Stressresistenz – besonders in einem globalisierten Wirtschaftssystem.
Schließlich bietet der Beruf des Tourismuskaufmanns/-frau spannende Einblicke in die Welt des Reisens. Auszubildende beraten Kunden bei der Urlaubsplanung, buchen Reisen, erstellen Angebote und kümmern sich um Reklamationen. Sie arbeiten mit Buchungssystemen, kalkulieren Reisepreise und kommunizieren mit Hotels, Fluggesellschaften und Veranstaltern. Interkulturelle Kompetenz, Kundenorientierung und gute geografische Kenntnisse sind hier von großer Bedeutung – ebenso wie Flexibilität und ein freundliches Auftreten.
Ausbildungsvergütung im kaufmännischen Bereich
Die Vergütung unterscheidet sich je nach Branche, Bundesland und Ausbildungsjahr. Durchschnittlich liegt sie bei:
- 1. Ausbildungsjahr: ca. 900–1.050 €
- 2. Ausbildungsjahr: ca. 1.000–1.150 €
- 3. Ausbildungsjahr: ca. 1.100–1.250 €
Beispielhafte Vergütung:
- Einzelhandel: Ø 1.050 € (über alle Jahre)
- Industrie: bis zu 1.200 €
- Büro: rund 950–1.100 €
Vorteil: Viele Auszubildende erhalten zusätzlich vermögenswirksame Leistungen, Fahrtkostenzuschüsse oder Weihnachtsgeld.
Nachteil: In kleineren Betrieben oder Regionen kann die Vergütung deutlich unter dem Schnitt liegen.
Schulische Vorbereitung: Bildungsstand der Auszubildenden
Eine kritische Betrachtung zeigt: Viele Schulabgänger bringen nicht die nötige Vorbereitung mit. Vor allem in folgenden Fächern bestehen oft Defizite:
- Mathematik (z. B. Dreisatz, Prozentrechnung, Statistik)
- Deutsch (Rechtschreibung, Ausdrucksfähigkeit, Textverständnis)
- Englisch (Grundwortschatz, Fachvokabular)
Ursachen für die Defizite:
- Lernrückstände durch Corona (Homeschooling, fehlende Präsenz)
- Überforderung mit digitalen Lernmethoden
- Mangelnde individuelle Förderung in großen Klassen
- Zu wenig Praxisbezug im Schulunterricht
Wie können Lernlücken in der Ausbildung aufgeholt werden?
Um Auszubildende optimal auf ihre kaufmännische Laufbahn vorzubereiten, setzen viele Berufsschulen und Ausbildungsbetriebe auf gezielte Unterstützungsmaßnahmen, vor allem wenn schulische Defizite aus der vorherigen Schullaufbahn bestehen. Eine wichtige Säule dabei ist der Stützunterricht durch Berufsschulen. Dieser wird insbesondere in den Fächern Deutsch und Mathematik angeboten, da gerade hier viele Auszubildende Schwierigkeiten haben. Der Förderunterricht findet meist in Kleingruppen statt und kann je nach Berufsschule freiwillig oder auch verpflichtend sein. Ziel ist es, Grundlagen aufzuarbeiten und sicherzustellen, dass alle Lernenden die Anforderungen im fachtheoretischen Teil der Ausbildung meistern können.
Neben dem schulischen Angebot engagieren sich auch viele Ausbildungsbetriebe durch betriebsinterne Schulungen. Diese sind oft auf die spezifischen Anforderungen im Unternehmen zugeschnitten und finden entweder regelmäßig oder nach Bedarf statt. Inhalte solcher Schulungen reichen von praktischen Themen wie Excel- und Word-Kursen über wirtschaftliches Rechnen bis hin zu Soft-Skills-Trainings, z. B. im Bereich Kommunikation oder Zeitmanagement. Immer mehr Betriebe greifen dabei auf digitale Lernplattformen oder interne Azubi-Workshops zurück, um eine flexible und moderne Wissensvermittlung zu gewährleisten. Solche Schulungen sind nicht nur eine wertvolle Hilfe für leistungsschwächere Azubis, sondern auch ein wichtiges Instrument zur Qualitätssicherung im Unternehmen.
Für Auszubildende, die zusätzliche Unterstützung außerhalb von Schule und Betrieb benötigen oder besonders individuell gefördert werden möchten, stehen externe Nachhilfeangebote zur Verfügung. Hierzu zählen sowohl klassische Nachhilfeinstitute und die Volkshochschulen (VHS) als auch spezialisierte Online-Plattformen wie „Optimalnachhilfe“. Diese Angebote decken ein breites Spektrum ab – wie beispielsweise Mathematik Nachhilfe im kaufmännischem Rechnen über Deutsch und Englisch bis hin zu prüfungsvorbereitenden Intensivkursen. Der Vorteil externer Anbieter liegt in der individuellen Betreuung und der Möglichkeit, Unterricht flexibel an den eigenen Zeitplan anzupassen. Gerade bei chronischen Lernschwierigkeiten kann diese Form der Nachhilfe entscheidend sein, um die Ausbildung erfolgreich zu durchlaufen.
Ergänzend dazu gewinnen Mentoring-Programme in der betrieblichen Ausbildung zunehmend an Bedeutung. In solchen Programmen übernehmen erfahrene Mitarbeiter oder ältere Auszubildende eine Art Patenschaft für neue Kolleginnen und Kollegen. Dabei geht es nicht nur um fachliche Unterstützung, etwa bei der Einarbeitung in bestimmte Arbeitsbereiche oder Prozesse, sondern auch um soziale Integration und den Austausch von Erfahrungswissen. Mentoren stehen ihren Mentees bei Fragen und Problemen zur Seite, geben praktische Tipps und helfen, Unsicherheiten im neuen Arbeitsumfeld zu überwinden. Solche Programme fördern nicht nur das Lernen, sondern stärken auch den Teamzusammenhalt und die Bindung ans Unternehmen.
Insgesamt zeigt sich: Wer frühzeitig erkennt, dass bestimmte Kompetenzen fehlen, hat heute zahlreiche Möglichkeiten, diese gezielt und praxisnah aufzuholen. Eine Kombination aus schulischer Förderung, betrieblicher Weiterbildung, externer Unterstützung und persönlicher Begleitung schafft beste Voraussetzungen für einen erfolgreichen Start in die kaufmännische Berufswelt.
Vorteile einer kaufmännischen Ausbildung
- Vielseitige Einsatzbereiche (Industrie, Handel, Finanzen)
- Gute Übernahmechancen
- Karrierechancen mit Weiterbildung (z. B. Fachwirt, Betriebswirt)
- Flexibilität: Auch später noch Studium möglich
Nachteile
- Teilweise monotone Tätigkeiten in der Anfangszeit (Ablage, Telefonate)
- Hoher Dokumentationsaufwand
- Steigende Anforderungen, gerade im Bereich IT und Digitalisierung
- Konkurrenz durch akademische Bewerber, insbesondere im Vertrieb und Marketing
Ausbildungsmarkt: Angebot und Besetzung in den letzten drei Jahren
In den letzten Jahren hat sich der Ausbildungsmarkt spürbar verändert. Trotz vieler offener Stellen bleibt ein großer Teil unbesetzt. Das zeigen aktuelle Zahlen der Bundesagentur für Arbeit:
- 2022: Rund 92.000 Ausbildungsplätze im kaufmännischen Bereich, davon etwa 78.000 besetzt.
- 2023: 95.000 Stellen angeboten, nur 76.000 besetzt – ein Rückgang trotz größerem Angebot.
- 2024: Prognosen zeigen: über 97.000 Ausbildungsplätze wurden ausgeschrieben, aber bis zu 25% bleiben voraussichtlich unbesetzt.
Ursachen für den Besetzungsrückgang
- Sinkende Schülerzahlen (demografischer Wandel)
- Mangelnde Berufsorientierung
- Höhere Studienneigung vieler Abiturienten
- Regionales Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage